24.06.2015 – Nervenflattern

Seit Tagen beobachte ich dich mit Argusaugen:
Du siehst einen Hund, wo keiner ist – vielleicht ist es gesunde kindliche Phantasie, vielleicht auch nicht…
Du schwankst beim Laufen öfter hin und her – vielleicht ist es Einbildung, vielleicht auch nicht…
Dein Auge ist nachts häufiger halboffen als sonst – vielleicht ist es Zufall, vielleicht auch nicht…
Du weinst in der letzten Zeit viel öfter und liegst matt auf dem Boden – vielleicht ist es harmlos, vielleicht auch nicht…
Bist du tatsächlich schneller erschöpft als früher? Oder kommt mir das nur so vor?

Seit Tagen dröhnt mir der Schädel, die quälende Ungewissheit und die lähmende Angst rauben alle Kraftreserven. Wie sollen wir das bloß über Jahre hinweg noch durchhalten?

Irgendwie haben wir die Geburtstagsfeiern deines Bruders überstanden. Nach Feiern war mir nicht zumute.
Nun endet die Wartezeit auf das MRT. Morgen ist es soweit. All unsere Ängste, Hoffnungen, Befürchtungen und Wünsche – was wird uns der morgige Tag wohl bringen?
Ich will so gern zuversichtlich sein, doch es gibt nichts, was mich beruhigen kann. Diese dumpfe Angst bohrt sich immer tiefer, ich kann mir kaum vorstellen, dass alles gut sein soll. Nur das gute MRT-Ergebnis wird mir meinen Seelenfrieden wieder bringen können. Zumindest für eine gewisse Zeit.

Ausgerechnet morgen ist der erste Elternabend in der Schule deines Bruders. Dein Papa wird dort sein, dein Bruder wird in der Zeit zum ersten Mal allein daheim sein.
Was mache ich, wenn die Ärzte doch etwas in deinem Kopf finden, was Anlass zur Sorge gibt? Wenn ich es deinem Papa morgen sage – wie soll er da noch zum Elternabend fähig sein? Ich werde ihn wohl oder übel im Ungewissen lassen müssen und es erst am Freitag sagen…

Ich bekomme seit Tagen kaum Luft. Nie zuvor musste ich so oft so tief durchatmen wie heute, um das Gefühl des Erstickens loszuwerden. Es regnet den ganzen Vormittag in Strömen. Ich muss mit dir raus, weil ich sonst nicht mehr atmen kann. In unseren Regensachen und Gummistiefeln laufen wir durch den Regen und springen durch Pfützen. Seit heute liebst du das Pfützenspringen mindestens genau so wie dein großer Bruder. Für dich ist es so anstrengend, dass du auf dem Nachhauseweg auf meinem Arm einschläfst und das Mittagessen um Stunden verschläfst.

Beim gestrigen Abendessen hatten wir darüber sinniert, ob wir morgen, wenn das MRT-Ergebnis endgültig feststeht, ein kleines Feuerwerk machen. Wir kamen dann überein: „wenn alles gut ist, gibts ein Feuerwerk“.
Darauf fragte dein Bruder: „Hö? Wieso denn nur, wenn alles gut ist? Wir können doch auch so eins machen.“
Wir versuchten, es ihm zu erklären. Wir wollen das Feuerwerk nicht für ein Ergebnis zünden, das uns traurig macht.
Daraufhin erwiderte er: „Aber dann sollten wir doch gerade eins machen: so ein Feuerwerk pustet doch alle Traurigkeit gleich weg!“

Recht hat er!

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5 Kommentare zu „24.06.2015 – Nervenflattern

  1. Musst zuletzt so oft an euch denken… Dachte bestimmt seid ihr im Urlaub…. Irgendwo ganz glücklich…. Dachte ich guck einfach doch mal hier vorbei…. Vielleicht seid ihr ja doch da… Nun les ich sowas… Kanns nicht fassen… Bitte nicht… Das sind Momente… Da fängt man an zu beten…. Lass alles gut sein!

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  2. Ich hoffe inständig, daß Ihr einen tollen Sommer verbringt und NUR DESHALB kein neuer Eintrag zu lesen ist!
    Das Kontroll-MRT muss einfach gut gewesen sein!!!
    Ich schaue oft hier rein und denke viel an Euch!

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    1. Lieben Dank für deinen Kommentar.
      Wie heißt es so schön? No news is good news – und das stimmt in unserem Fall auch.
      Ich bin am nächsten Eintrag dran, der ist bald fertig.

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      1. Ich bin wahnsinnig froh und freue mich aufrichtig für Euch!!
        Danke für die Nachricht, jetzt kann ich beruhigt den nächsten Eintrag abwarten…. 🙂

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