27.11.2014 – 30 : 0! Ende. Und Anfang.

Genau 600 Tage bist du heute alt, seit 317 Tagen kämpfst du dich ins Leben zurück. Und heute soll nun endlich deine Behandlung enden.

Nach dem Aufstehen herrscht eine gespannte Aufbruchstimmung. Ich scherze noch mit deinem Papa „Stell dir vor, die sagen uns nachher, dass es wieder technische Probleme gibt und die Bestrahlung auf morgen verschoben wird.“

Papa und Justus brauchen noch ein wenig Zeit zum Anziehen, ich mache mich mit dir schon mal auf den Weg in die Klinik.
Wir kommen pünktlich an und eine knappe halbe Stunde später trifft auch dein Papa im HIT ein. Justus ist gut aufgehoben im Kinderplaneten, wir Drei warten auf das Abschlussgespräch mit den Ärzten.

Die Zeit vergeht, deine reguläre Bestrahlungszeit ist inzwischen längst überschritten. Ich werde langsam nervös und frage mich, ob das Gespräch tatsächlich heute noch stattfinden soll. Doch da werden wir bereits aufgerufen und reden heute zum ersten Mal mit der Ärztin, die deinen Fall seit Mai betreut. Sie fasst deine Geschichte sehr treffend zusammen, benennt prägnant die Fakten und erkennt mit einem genauen Blick auf dich sowohl deine Einschränkungen als auch deine Fortschritte. Es ist ein Gespräch auf Augenhöhe, bei dem die Ärztin uns in vielen Dingen aus dem Herzen spricht. Ein wundervoller Abschluss.

Nach dem Gespräch gehen wir wieder in den Wartebereich, wo du dich mit dem Spielzeug beschäftigst. Inzwischen trudeln auch die Kinder, die nach dir an der Reihe sind, ein. Wir unterhalten uns gerade mit den Eltern, als ein Mitarbeiter die Meldung verkündet, dass es technische Probleme und damit Verzögerungen gibt. Es könne 10 Minuten dauern, aber auch eine Stunde oder noch länger, er hält uns auf dem Laufenden. Nein! Nicht doch! Nicht ausgerechnet heute an deinem letzten Tag! Das war heute Morgen ein Scherz, keine Prophezeiung!
Wir sind fassungslos, mit einem mulmigen Gefühl harren wir der Dinge und hoffen, dass der Fehler schnell behoben werden kann. Ein weiterer Tag Verzögerung wäre keine Katastrophe, die Wohnung haben wir noch drei weitere Tage gemietet. Aber innerlich haben wir uns auf das Ende eingestellt, sind in Gedanken schon fast wieder Zuhause… Nach einer halben Stunde Bangen und Warten kommt die Erlösung: alles funktioniert, es kann losgehen.
Zum ersten und letzten Mal begleitet uns dein Papa in das Vorbereitungszimmer und in den Bestrahlungsraum. Zum letzten Mal wird dir die Maske angelegt, zum letzten Mal begleiten wir dich anschließend in den Aufwachraum.
Da liegst du nun, gezeichnet von einem halben Leben Kampf. Du schläfst seelenruhig, ich sitze neben dir und kann es kaum glauben, dass alles geschafft ist. Dass du endlich die ganzen Prozeduren überstanden hast. Ein Abschnitt endet, ein neuer beginnt. Deine Kindheit beginnt. Eine unbeschwerte und sorgenfreie Kindheit. Meine Gefühle fahren Achterbahn, wie lang haben wir auf diesen einen Tag gewartet!
Mit der Maske im Gepäck gehen wir in die Tagesklinik zum letzten Verbandswechsel in Heidelberg, danach holen wir Justus aus dem kinderplaneten ab. Er darf sich als Abschiedsgeschenk noch eine Kleinigkeit aussuchen und bekommt obendrein einen Adventskalender mit auf den Weg,
Wir verlassen die Klinik und vollführen auf dem Parkplatz einen Freudentanz. Endlich geschafft!

Zurück in der Wohnung feiern wir den heutigen Tag mit einer Runde Pfannkuchen für alle, bevor wir beginnen, unsere Sachen zu packen.
Morgen geht es endlich wieder nach Hause.

317 dokumentierte Tage
317 dokumentierte Tage

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“

H. Hesse

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4 Kommentare zu „27.11.2014 – 30 : 0! Ende. Und Anfang.

  1. … und wieder rollen mir die dicken Tränen übers Gesicht… sprachlos, voller Sorge und Mitgefühl… aber nun endlich auch vor Freude!!
    Seid ganz lieb gegrüßt, Janet

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  2. auch ich verdrücke mir gerade ein tränchen… ich wünsche dem kleinen mann alles gute – euch natürlich auch und allen zusammen jetzt erst mal eine wunderschöne vorweihnachtszeit! einen dicken knutscher von eva

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  3. Liebe Janet und liebe Eva,
    ich danke euch Beiden von Herzen. Es ist immer noch so unwirklich, dass dieses Kapitel tatsächlich abgeschlossen ist. Nach fast einem Jahr Kampf…
    Der Advent wird richtig gemütlich für uns – und für euch und eure Lieben hoffentlich auch.
    Liebe Grüße und alles Gute

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  4. Ihr -alle vier- seid so tapfer und so stark…ich freue mich, daß ihr durch diesen gewaltigen Sturm so fantastisch durchmarschiert seid; und wünsche euch ruhige, besinnliche Tage in der Vorweihnachtszeit. Wer, wenn nicht Ihr, hätte das am meisten verdient!!!! Viele liebe Grüße und gute Gedanken schick ich euch! Agathe

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